Ski Club Dieburg – mehr als eine Schnapsidee
Das eine oder andere Gläschen Obstler mag die Handvoll Männer im Mainzer Hof in Dieburg schon ermutigt haben, 1967 ausgerechnet im Dieburger Flachland einen Skiclub zu gründen.
Die Moret als höchste Erhebung ist gerade einmal 204 Meter hoch, die relativ schneesichere Rhön 100km und die Alpen gute 400km entfernt.
Aber die jungen Leute um den späteren Gründungsvorsitzenden Peter Lerchenmüller hatten das richtige Näschen für den Zeitgeist. Schon dem ersten Aufruf zu einem Meinungsaustausch folgten so viele Skisportbegeisterte, dass das Nebenzimmer im Mainzer Hof überfüllt war. Das war ein erfolgversprechender Auftakt.
Schnell wurde man sich einig. In Dieburg sollte keine Sektion des Skiclubs Odenwald-Höchst entstehen sondern ein eigener selbstständiger Verein mit Peter Lerchenmüller an der Spitze. Er war nicht nur für lange Zeit der beste Skifahrer, sondern als gebürtiger Allgäuer verfügte er auch über die notwendigen Kontakte und Kenntnisse.
Skifahren in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre war „in“, wie später Tennis und heute vielleicht Golf. Das Fernsehen lieferte Bilder von Ski-fahrenden Royals und anderen Prominenten ebenso in die Wohnzimmer wie die Erfolgsgeschichten deutscher Wintersportler. Das so genannte Wirtschaftswunder ermöglichte tausenden von Flachländern Urlaub in den Bergen mit Budenzauber und Heimatabenden. Skilaufen und Urlaub machen war für viele junge Menschen auch in Südhessen ein- und dasselbe, war ein Teil des Lifestyle jener Zeit.
Da kam der Ski Club Dieburg 1967 gerade recht. Die Mitgliederzahl stieg sprunghaft an.
Manche schlossen sich dem Verein auch nur deshalb an, weil sie die ausgeprägte Geselligkeit schätzten.
Das Vereinsangebot passte zur Nachfrage: Zielgerichtete Skigymnastik im Sommer, Grasski-fahren für die Ambitionierten im Herbst, Teilnahme an Bezirks- und Landesmeisterschaften und vor allem Skifreizeiten mit den Schwerpunkten um Buß und Bettag, um Silvester und an Ostern.
Auch der interne Wettbewerb wurde groß geschrieben. Clubmeisterschaften in Hunsbach im Schwarzwald, in Buching und in den österreichischen und französischen Alpen waren jährliche Höhepunkte des Vereinslebens.
Als besonderes Ereignis ist vielen noch das Volksskifahren auf einer Kunststoffpiste auf der Moret im Jahr 1973 in Erinnerung. Über 100 Starter aus ganz Südhessen konnten ihr Können über 1.000 Besuchern beweisen. Die Euphorie war so groß, dass sogar ein Lift auf dem Skihügel installiert wurde. Seltsamerweise wurde ab diesem Zeitpunkt Schnee zur Seltenheit auf der Moret und nach einigen Jahren wurde die Anlage frustriert wieder abgebaut.
Zu den geselligen Höhepunkten der Vereinsgeschichte zählen zweifellos die Oktoberfeste im Mainzer Hof. Der Verein bot ein abwechslungsreiches zünftiges Programm von Fingerhakeln über Schuhplatteln bis zur bayrischen Blasmusik und die Dieburgerinnen und Dieburger kamen zum Teil in Dirndl und Lederhosen in Scharen. Häufig waren die Freunde aus Buching zu Gast und brillierten mit Allgäuer Lebensfreude.
Zum inneren Zusammenhalt des Vereins trugen auch die Herbstwanderungen mit Übernachtung im Spessart und Odenwald bei. Um die lange schneefreie Sommerzeit zu überbrücken wurde in Eigenhilfe in Laudenbach am Main ein kleines Freizeitgelände geschaffen mit Gelegenheit zum Zelten und Motorbootfahren, vor allem aber fand das Wasserskifahren zahlreiche Anhänger.
Der Zeitgeist ist ein flüchtiger Geselle. Er kommt und geht und niemand weiß genau wann und warum. Ende der 80er Jahre jedenfalls ebbte der Boom ab. Skifahren wurde als teuer empfunden, der Massenandrang an Liften und Pisten stieß manche ab, Skifahren wurde unter Umweltaspekten skeptischer gesehen. In den Schulen, die zuvor den sportlichen und gemeinschaftsbildenden Stellenwert des Skisports gefördert hatten, durften nur noch in begründeten Ausnahmefällen Skifreizeiten als Klassen- oder Studienfahrten durchgeführt werden. Auf der anderen Seiten überboten und überbieten sich Reiseveranstalter mit günstigen Angeboten.
Die Bedingungen für einen Ski Club im Flachland haben sich verändert, sind schwieriger geworden.
Die Enthusiasten der Anfangsjahre sind heute Großmütter und Großväter. Wie überall auf der Welt erzählen sie den Jüngeren die üblichen Geschichten von der guten alten Zeit, so auch von den Anfängen des Skisports in Dieburg.
Dietmar Schöbel Peter Lerchenmüller